Europa - Resolution (Sevilla, Mai 1994)



Die Borniertheit und Ignoranz der Nationalstaaten gegenüber rassistischer Gewalt, Diskriminierung und Bürgerkrieg, denen die Roma mehr denn je ausgesetzt sind und die Vorenthaltung der Selbstbestimmung der Roma als ethnische nationale und europäische Minderheit, rücken die Europa-Aktivitäten der Selbsthilfeorganisationen als eine notwendige politische Möglichkeit zur Sicherung und Wahrung der Menschenrechte für Roma zunehmend ins Zentrum. 

Im folgenden wird die am 20. Mai 1994 auf dem Europa-Kongress der Roma in Sevilla verfaßte Europa-Resolution, die dem Europäischen Parlament, dem Europarat und der KSZE unterbreitet wird und die verbindlichen, einklagbaren Menschenrechte für Roma in Form einer Menschenrechtscharta beschreibt, dargestellt.

Unter Berücksichtigung, daß die Roma eine Nation darstellen, die in allen europäischen Ländern leben, sind die gewählten europäischen Körperschaften, vor allem aber das Europäische Parlament verantwortlich, den Schutz und die Anerkennung für die Roma zu garantieren.

Angesichts der Tatsache, daß die nationalen Regierungen es bis heute unterlassen haben, Empfehlungen und Resolutionen der europäischen und multilateralen Organisationen bezüglich der Lage der Roma umzusetzen, schlagen wir folgende Richtlinien für eine verbindliche europäische Charta für die Rechte der Roma (Europäische Charta für die Rechte der Roma) vor. Diese Charta ist vom Europäischen Parlament zu ratifizieren und von allen gegenwärtigen und zukünftigen Mitgliedsstaaten zu unterzeichnen:

1) Das Europäische Parlament erkennt die Roma als eine europäische nationale Minderheit an.

2) Das Europäische Parlament erkennt das Recht der Roma an, eine ständige beratende Kommission im Europaparlament einzurichten. Diese Kommission hat die Aufgabe, Vorschläge zu entwerfen sowie die Verfassung und Umsetzung aller Resolutionen und Empfehlungen, die Roma betreffen, zu überwachen.

3) Das Europäische Parlament erkennt das Recht der Roma an,
- Schutz gegen rassistische Hetze, Diskriminierung und Gewalt zu erhalten,
- sich frei innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und deren Mitgliedsstaaten bewegen zu können (Freizügigkeit),
- ihre Lebensorganisation selbst zu gestalten,
- eine eigene politische Vertretung als nationale Minderheit innerhalb der gewählten nationalstaatlichen Körperschaften und als europäische Nation innerhalb multilateraler Organisationen zu haben,
- über diese politische Vertretungen ein Vetorecht bezüglich aller Maßnahmen und Projekte, die Roma betreffen, zu besitzen,
- auf muttersprachlichen Unterricht und muttersprachliche Berufsbildung sowie auf die Einrichtung eines selbstbestimmten Schulsystems.

4) Das Europäische Parlament fordert die nationalen Regierungen auf, - Roma-Flüchtlingen, die von rassistischer Gewalt und Diskriminierung betroffen sind, unverzüglich Schutz zu garantieren (Bleiberecht),
- über politische Mittel, gegebenenfalls über politischen Druck, die Roma-Bevölkerung der nicht EG-Staaten in Ost- und Mitteleuropa zu schützen und die Einhaltung der Menschenrechte und politischen Rechte in diesen Ländern zu überwachen.

5) Das Europäische Parlament kündigt die bilateralen Verträge zu den europäischen Regierungen auf, die die erzwungene Repatriierung von Roma-Flüchtlingen in ihr Herkunftsland betreiben. 

6) Das Europäische Parlament erkennt die Notwendigkeit von Entwicklungsprojekten innerhalb der Roma-Gemeinden an, wenn diese längerfristig als Mittel zur Emanzipation der Roma dienen und die staatlichen Verwaltungen und multilateralen Organisationen dafür sorgen, daß die Projekte von den Roma selbstbestimmt gestaltet werden. 

Die Delegierten des ersten Europäischen Roma-Congresses fordern die Organisatoren auf, diese Resolution dem Europäischen Parlament zu unterbreiten und für die unverzügliche Kenntnisnahme und Förderung auch nach den Europawahlen Sorge zu tragen. 

Darüber hinaus fordern wir die Organisatoren, sowie alle Gäste und Delegierten des Kongresses auf, diese Resolution den Roma-Vereinigungen in Europa vorzustellen, damit diese ermutigt werden, den Entwurf für eine Europäische Charta für die Rechte der Roma zu unterstützen.



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