Förderverein Roma e.V.
Rede auf der Kundgebung "Hier geblieben" (Ffm, Römer, 13.07.2006)




Hallo liebe SchülerInnen und Schüler,

mein Name ist Joachim Brenner. Ich arbeite im Förderverein Roma.

"Hier geblieben" ist die richtige Forderung, denn wenn man sich ansieht, welche skandalöse Verfahrensweisen speziell bei Kindern und Jugendlichen seitens der Ausländerbehörden und den Innenministerien bezüglich einer raschen Abschiebung praktiziert werden, so bleibt die Forderung aktueller denn je.

Offensichtlich spielen der Schutz von Ehe, Familie und Lebensgemeinschaften, das Wohl des Kindes und internationale Übereinkommen zum Schutz von Minderjährigen keine Rolle, wenn es um die zügige Ausweisung geht. Menschenrechtsverletzungen werden in Kauf genommen, das Recht auf Schule, Berufsbildung, Existenzsicherung bleibt unberücksichtigt. Das was man gemeinhin Migranten vorwirft, nämlich nicht genügend Engagement für Bildung und Schule zu erbringen, entlarvt sich so als das was es eigentlich ist: ein Vorurteil, eine haltlose Behauptung, letztlich ein rassistisches Ressentiments.

Ich will es konkret machen:
Nach wie vor sind 2/3 der 70 Roma-Kinder unserer Kindertagesstätte „Schaworalle“ und die Hälfte der 15 Teilnehmer des Beschäftigungsprojektes des Förderverein Roma ohne gesicherten Aufenthalt und haben jederzeit mit der Ausweisungsverfügung zu rechnen. Der seit Jahren erfolgte regelmäßige Besuch der Kita und der Schule sind für die Entscheider völlig unerheblich. Ebenso die Tatsache, dass die Kinder mit ihren Familien teilweise seit über 10 Jahren hier leben. Tragisch ist hier nicht nur der abrupte Abbruch erfolgreicher schulischer und beruflicher Entwicklungen, tragisch ist auch die Abschiebung in Lagen, die Gefahr an Leib und Leben bedeuten und jeder zu unterstützenden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Hohn sprechen.

Gegenwärtig befinden sich drei Kita-Kinder (Anca, Asmina und Emanuel) und zwei Jugendliche (Lamaita und Christina) des Beschäftigungsprojektes im Petitionsverfahren. Das bedeutet praktisch gesehen lediglich ein zeitlicher Aufschub. Erfolg hatten wir noch nie durch die Anrufung des Petitionsausschusses. Ein Junge (Bobi), der ebenfalls unser Beschäftigungsprojekt besucht, wurde mittlerweile von der Härtefallkommission aufgenommen. Auch dort ist Skepsis am Platze, denn beide Gremien arbeiten in Personalunion. Alleine die Information, dass erstmals in diesem Jahr zwei Familien positiv von der Kommission beschieden worden sind, gibt noch Hoffnung.
Insbesondere die Situation der Roma-Flüchtlinge ist nach wie vor völlig desolat. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den osteuropäischen Ländern, aus denen die meisten geflohen sind, keinerlei Perspektiven für die Abgeschobenen existieren und sie in den Gesellschaften sowieso schon als Roma extrem unter Diskriminierung und Ausgrenzung zu leiden haben, belastet die Ignoranz der deutschen Behörden um so mehr. Europäische und andere internationale Menschenrechtsinstitutionen weisen seit Jahren darauf hin, dass mehr für die schulische und berufliche Bildung von Roma getan werden soll, sowohl für Flüchtlinge generell als auch für Roma, die als Minderheiten in den einzelnen Ländern leben. Existentielle Absicherung, adäquate Bildung und Förderung vor allem von Roma-Kindern und -Jugendlichen klagte der UN-Sonderbotschafter Munoz bei seinem aktuellen Besuch in Deutschland ein.

Die soziale Situation der Roma in Osteuropa lässt sich leicht umschreiben: Die Lebenserwartung ist teilweise um 20 Jahre geringer als die der Mehrheitsbevölkerung, die Säuglingssterblichkeit auf einem alarmierenden Höchststand, die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen miserabel, über 90 % haben keinen Schulabschluss und werden gleich, wenn überhaupt, auf Sonderschulen verwiesen, die Arbeitslosenquote liegt zwischen 80 und 90 %. Hinzu kommt der alltägliche Rassismus. In Rumänien wurde kürzlich eine Romnie erschossen, allein weil sie Kohlen stahl. Ermittlungsverfahren wegen Überfällen verlaufen im Sande, die Verantwortlichen werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Veilmehr wird umgekehrt stärker denn je mit dem Vorurteil gegenüber Roma offizielle Politik gemacht. Und das mit Erfolg. Sie sind die Sündenböcke für alle politischen Fehlleistungen und die erste Zielscheibe der Verlierer der brutalen Verteilungskämpfe.

Bei nüchterner Betrachtung gibt es also viele Gründe, die Familien, die Kinder und Jugendlichen hier abzusichern und ihnen die Chance für eine selbst bestimmte Entwicklung zu geben. Nicht zuletzt die jüngere deutsche Geschichte sollte speziell im Hinblick auf die Situation der Roma Grund genug sein, Verantwortung wahrzunehmen.
Schließlich handelt es sich um junge Menschen, deren Leben in Frankfurt oder anderen Städten und Orten stattfindet, es handelt sich um Kinder und Jugendliche, die hier zu hause sind und die hier ein Bleiberecht erhalten müssen.

Vielen Dank.