Konzept sozialpädagogische Familienhilfe § 31 KJHG



(Stand: 25.02.2025)

Das Hilfeangebot existiert seit dem Jahr 2000.
Zurzeit drei Mitarbeiter*innen

„Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie.“ (KJHG, SGB VIII 1a, Beck Texte 1999)

Der Förderverein Roma e. V. ist anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Der Verein ist Mitglied im Paritätischen.

Im Zuge der Öffnung der osteuropäischen Staaten sind u. a. auch viele Roma Familien in der BRD gekommen. Vor allem Rom:nia aus Rumänien leben seither im Rhein-Main-Gebiet. Die Existenz vieler Familien ist trotz des langjährigen Aufenthalts ungesichert. Ausgrenzung, offene rassistisch motivierte Diskriminierung, der ungeklärte Aufenthaltsstatus sowie die unzureichende Versorgung erschweren es, eine menschenwürdige Existenz aufzubauen. Besonders die Kinder und Jugendlichen leiden unter dieser Perspektivlosigkeit. Mangelhafte Bildung und Ausbildung potenzieren die Chancenlosigkeit und Marginalisierung.
Dieser Teufelskreis kann einerseits durch die Öffnung von herkömmlichen Bildungsinstitutionen bzw. Behörden (Kindergarten, Hort, Schule, Sozialamt, Ausländerbehörde ...) im Hinblick auf die Belange und Forderungen der Roma und andererseits durch tragfähige Kooperation mit den Familien, durch Erwecken von Interesse, ohne Angst um Verlust der eigenen Identität, durchbrochen werden.
Erfahrungsgemäß ist die akzeptierte Hilfe in der Familie eine zentrale Möglichkeit, um vor dem beschriebenen Hintergrund eine mittel- und langfristige sozialpädagogische Unterstützung zu gewährleisten.

Konzeptionelle Eckpunkte

Die intensive Begleitung und Betreuung von Familien soll nach Maßgabe der sozialpädagogischen Familienhilfe bei Erziehungsaufgaben, der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützend wirken und die Motivation zur Selbsthilfe mobilisieren.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass - orientiert an den Bedürfnissen der Familie - das Vertrauen, die Sensibilität und die persönliche Glaubwürdigkeit der Mitarbeiter*innen den Schlüssel zu allen pädagogischen Aktivitäten darstellen.
Die beschriebenen Probleme können nur gemeinsam auf der Ebene von Kooperation und Akzeptanz gelöst werden. Es bedarf seitens der Mitarbeiterin einer großen Empathie, um Fragen und Wünsche der Kinder und der Eltern zu verstehen.

Die klassische Trennung zwischen der Sicherung der Existenz – im wahrsten Sinne des Wortes – und den Problemen, die danach kommen, wie Schule, Ausbildung, Berufstätigkeit, Identitätsfindung, Generationskonflikte, ist oft nicht gegeben. Die soziale und ökonomischen Situation der Menschen, ihre Erfahrungen und Identität sind Grundlage der Arbeit in den Familien.

Die ersten Schritte sind davon gekennzeichnet, mit den wichtigsten Ansprechpartnern, eine gemeinsame Grundlage aufzubauen, die im gesamten Familienverband geteilt wird. Der Begriff Familienhilfe kommt auf seinen eigentlichen Inhalt zurück. Es geht meist nicht um die Klein-, Teil- oder Patchwork-Familie, sondern um die Tätigkeit innerhalb einer Gemeinschaft, die verbindlich und verantwortlich alles Tun und alle Wünsche bespricht und organisiert. Die gesellschaftliche Konfrontation mit verschiedensten Perspektiven führt bei Jugendlichen auch zum Aufbau von eigenen Lebensentwürfen, deren Unterstützung zum Aufgabenfeld der Hilfe gehört.

Erfahrungen innerhalb der sozialpädagogischen Familienhilfe

Der Verein bietet sozialpädagogische Familienhilfe in Roma-Familien aus Deutschland und Osteuropa an.

Es besteht eine bemerkenswerte Offenheit und Kooperationsbereitschaft der Familien gegenüber dieser speziellen Hilfeform. Die wesentlichen Tätigkeitsbereiche liegen vor allem in
- der Hilfe hinsichtlich der existentiellen Absicherung, d. h. der Versorgung oder der Akquise von verschiedenen zusätzlichen Leistungen. Prekäre Lebensverhältnisse bedingen u. a. die unzureichende Behandlung bei Krankheiten von Kindern und Müttern und die Verstärkung von sozialer Benachteiligung,
- der Unterstützung bei der Bereitstellung von passendem Wohnraum. Die unzureichende Unterkunft und die damit zusammenhängende Überbelegung sind Grundlage von Konflikten. Letztlich schafft erst der Aufbau von verantwortbaren Lebensbedingungen die Voraussetzung dafür, pädagogisch sinnvolle Arbeit leisten zu können,
- einem adäquaten Freizeitangebot (Ausflüge, Ferienfreizeiten, Kino, Zoo, Kochen, Schwimmbad ...),
- dem Aufbau von Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, die sich an den Kenntnissen und Wünschen der Jugendlichen orientiert
- der Beratung bei Straffälligkeit und hinsichtlich der Ableistung von Arbeitsauflagen. Die Aktivitäten orientieren sich sowohl an der Motivation der Betroffenen in den Straftatbestand als auch an der Organisation einer nachvollziehbaren Beschäftigung. In diesem Zusammenhang bietet die Ableistung der Auflagen innerhalb der Kindertagesstätte „Schaworalle“ des Vereins einen sehr guten Ansatz,
- dem kontinuierlichen Gesprächsangebot gegenüber der Erziehungsberechtigten. Das enge Verhältnis zwischen Mitarbeiter*innen und den Sorgeberechtigten bildet die Grundlage der Einflussnahme auf Verhalten und Lebensorganisation. Das Prinzip des Konsenses und des gemeinsamen Beschlusses hinsichtlich Änderungen ist das tragende Moment. Selbstverständlich sind Konflikte wie beispielweise bezüglich der verbindlichen Wahrnehmung von Terminen vorprogrammiert. Auch hier ist der Appell in die Einsicht und mögliche negative Konsequenz die Voraussetzung für jede positive Entwicklung,
- der Unterstützung und der Schaffung eines kontinuierlichen Schulbesuchs bzw. der Hilfe bei der Suche nach dem geeigneten Schultyp. Es sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich erwähnt, dass eine zentrale Zielsetzung der sozialpädagogischen Familienhilfe darin besteht, den Teufelskreis zwischen Schulfehlzeiten, mangelndem Austausch zwischen Schule und Eltern und frühzeitiger Zuweisung in die Sonderschule zu durchbrechen. Es wird sich intensiv darum bemüht, bereits in den ersten Schuljahren Grundlagen für die Förderung des Kindes oder Jugendlichen und das Verständnis gegenüber den Belangen der Kinder aufzubauen. Das kontinuierliche Gespräch mit den Eltern, den Fachlehrern und der Schulleitung ist hierbei von enormer Bedeutung. Der Verein profitiert in dem Bereich von der Erfahrung innerhalb der Jugendberufsbildung sowie der Schulvorbereitung und Alphabetisierung der Kindertagesstätte „Schaworalle“ und der engen Zusammenarbeit mit den für das Projekt freigestellten Lehrerinnen.
- der Einbindung der Familien in den jeweiligen Stadtteil. Die Vermittlung von Angeboten verschiedener Einrichtungen für Jugendliche (Jugendzentrum, Abenteuerspielplätze, Ferienfreizeiten) oder die Hilfe bei der Anmeldung für den Hort oder den Kindergarten stehen ebenso wie der Abbau von Berührungsängsten und Ressentiments und die Eröffnung von Erfahrungen jenseits des Bekannten Umfelds im Mittelpunkt,
- der Begleitung bei Ämtergängen. Die Skepsis, die Angst und das Problem der Verständigung sind die maßgeblichen Hürden bei der Kontaktaufnahme. Es hat sich gezeigt, dass alleine durch die sensible Vermittlung und die Übernahme von notwendigen schriftlichen Aufgaben seitens der Familienhelfer*innen, Erfolge in der Versorgung oder auch in der Wahrnehmung der notwendigen Kooperation mit den Ämtern zu verzeichnen sind. Dies bedingt einerseits den Abbau von Klischees gegenüber Rom:nia und trägt andererseits zum Verständnis bezüglich der Belange jeder Verwaltung bei,
- der Hilfe bei innerfamiliären Konflikten. Die Aufgabe der Familienhilfe besteht in der Stärkung des Kindes und in der Vermittlung zwischen Kind und Eltern. Auch die Unterstützung bei Ablösungsprozessen zwischen den Generationen ist Gegenstand der Hilfe

Eckpunkte dieses Rahmens sind:

- die Mobilisierung der eigenen Kräfte und Kenntnisse innerhalb der Familien und die Anregung zur Selbsthilfe,
- die Stabilisierung der einzelnen Personen, der Familie und der nahestehen Bezugspersonen des Kindes bzw. Jugendlichen,
- die Infragestellung der Abwertung durch die Betroffenen selbst bzw. der Abwertung durch Fremdzuweisung,
- der Aufbau und Ausbau der eigenen Handlungskompetenz,
- die Förderung und Forderung von individuellen Fähigkeiten, Begabungen, Talenten und Neigungen,
- der Aufbau von Kooperationsbereitschaft
- die Schaffung von Durchsetzungsvermögen,
- Strukturierung des Lebensalltags,
- Unterstützung in der Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung,

Hilfeumfang, Verlauf und Durchführung der sozialpädagogischen Familienhilfe erfolgt durch:

- gemeinsame Gespräche zwischen allen Akteuren,
- die Überprüfung der Arbeit anhand von Verlaufs-, Ziel- und Ergebnisprotokollen,
- die Reflexion mit den pädagogischen Fachkräften des Vereins,
- der außerbetrieblichen Supervision,
- der Ausarbeitung eines Hilfeplans, d. h.
  o Benennung der unmittelbaren Ansprechpersonen (Kind, Jugendliche, Mutter, Vater, nähere verantwortlichen Verwandten) und der weiteren Kooperationspartner (Lehrer, Sozialamt, Schule, Hort Kindergarten, Justiz, Polizei, Ausländerbehörde, Wohnungsamt, Jugendamt),
  o Benennung der Probleme (Versorgung, Unterkunft, Vernachlässigung, Lernverhalten, Schulbesuch, Ausbildung, familiäre Konflikte, unzureichende Verständigung, Krankheit, Absicherung des Aufenthalts etc.),
  o Ziele (Aufbau einer Vertrauensbasis, Stärkung der Eigenkompetenz, Stabilisierung im Bereich Schule und Ausbildung, Aufbau bzw. Stärkung von Strukturen und Verbindlichkeiten, Unterstützung des Lernverhaltens, Hilfe bei medizinischen und therapeutischen Problemen, Ausbau von Erfahrungen durch spezielle Angebote im
Freizeitsektor, Ausbau der Wahrnehmung eigener Fähigkeiten und des Einschätzungsvermögens gegenüber Dritten,
  o Zeitplanung (Organisation und Einteilung der Stunden in der Familie und außerhalb der Familie im Rahmen der Freizeitgestaltung, Vereinbarung des nächsten Hilfegesprächs, Vereinbarung über den Termin der Abgabe des Entwicklungsberichtes),
  o Intervention (Gespräche, Begleitung, einzelne und gemeinsame Aktivitäten, Vermittlung bei Kontakten mit Behörden und Beratungsstellen), der Erstellung eines Entwicklungsberichtes nach sechs bzw. zwölf Monaten, und der gemeinsamen Reflexion mit allen Beteiligten über die bisher geleistete Arbeit und die weitere Perspektive.