Förderverein Roma e.V: Welt - Roma - Tag am 8. April (07.04.2020)



Ausgrenzung und Rassismus vor dem Hintergrund des Corona-Virus

Anlässlich des Welt-Rom-Tages am 8.April. weist der Förderverein Roma auf die verstärkte Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma und Sinti hin. Alarmierende Nachrichten informieren über die Lage der Minderheit in Osteuropa.
In Bulgarien werden Roma-Viertel isoliert, da ihnen die Infizierung und Verbreitung des Virus unterstellt werden. Eine Maßnahme, mit der keine andere Bevölkerungsgruppe des Landes konfrontiert wird.
Im Kosovo bemängeln Roma-Politiker die mangelnde Information und Unterstützung und greifen auf eigene Initiativen zurück.
Aktivisten aus Bosnien-Herzegowina berichten über die zunehmende Verelendung, weil wesentliche Einnahmequellen, nämlich die Sammlung und Verwertung von Wertstoffen nicht mehr möglich sind; öffentliche Hilfe bleibt aus.
In Albanien protestiert die Roma Community über Verarmung aufgrund der Ausgangssperre. Bei der Verteilung von Lebensmittelpaketen werden Roma benachteiligt, medizinische und finanzielle Hilfen bleiben aus.
In Nord-Mazedonien wurden Roma Musiker im Gegensatz zu anderen Einreisenden in Zwangsquarantäne genommen; infiziert waren die Betroffenen nicht.
In der Slowakei werden landesweit mit Hilfe des Militärs ausschließlich Roma Siedlung getestet, ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Erkrankung zu haben.
Die ungarische Regierung instrumentalisiert die Corona Pandemie, hetzt gegen Roma und verweigert Entschädigungen, die ihnen aufgrund von Segregationen im Schulbetrieb seit Monaten höchstrichterlich zustehen. Die Erklärung des Ausnahmezustandes in Ungarn findet ihre Begründung u. a. in der breiten Diffamierung von Roma.

Anstatt schnell und angemessen Unterkünfte für obdachlose Roma zur Verfügung zu stellen, lassen sich auch viele westeuropäische Städte Zeit. Frankfurt reagiert bezüglich der Bereitstellung von adäquaten, den aktuellen Gesundheitsempfehlungen gemäßen Räumen völlig ungenügend. Ein schwer körperbehinderter Mann, der zur Corona-Hochrisikogruppe gehört, befindet sich in der Notunterkunft, anstatt endlich ein passendes Hotelzimmer, in dem Distanz und Hygiene gewahrt werden können, zu erhalten. Eine Familie, in der die Mutter beschäftigt, der Vater auf Arbeitssuche ist und die Kinder notdürftig bei Bekannten untergebracht sind, bleibt aufgrund fehlender behördlicher Unterstützung völlig schutzlos in der Obdachlosigkeit. Nicht zuletzt Roma, die gezwungen sind, auf der Straße zu leben, ihre Existenz durch Musik, das Sammeln von Pfandflaschen, durch Betteln und Tagesjobs notdürftig sichern, sind durch das weitgehende Einstellen des öffentlichen Lebens betroffen.
Ihnen muss Aufmerksamkeit, Schutz und Hilfe zukommen. Menschen, die bereits durch ein Leben am Rande der Gesellschaft, durch chronische Krankheiten und eine umfängliche Form der Ausgrenzung gezeichnet sind, sind einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Angesichts geschlossener Grenzen und humanitärer Notwendigkeit muss sich Verwaltungshandeln an unbürokratischer menschlicher Unterstützung orientieren. Statt der Verweigerung von Hilfe, wie beispielsweise der erfolglosen Suche nach eingestellten europäischen Bahnverbindungen zwecks EU-interner Ausweisung oder der Abschiebung von Flüchtlingen in Kriegs- und Krisengebiete, ist die schnelle Bereitstellung von Wohnraum, die gesicherte gesundheitliche und alltägliche Versorgung und die Umsetzung von erforderlichen Hygienestandards geboten – und dies insbesondere im Hinblick auf die Minderheit Roma.

Am Welt Roma Tag erinnert der Förderverein Roma an die Zunahme von neonazistischen und rechtsradikalen Morden und Überfällen, an die Verweigerung staatlicher Behörden, zielgerichtet und effektiv zu ermitteln und zu ahnden. Der Anschlag auf den Regierungspräsidenten Lübke, die Drohbriefe aus dem 1. Polizei-Revier an die Frankfurter Rechtsanwältin Basay-Yildiz, die NSU-Morde und die über 300, dem rechten Spektrum zugeordneten Morde in den letzten 30 Jahren sind angesichts gegenwärtiger Probleme nicht zu vergessen. Die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau, drei von ihnen waren Roma, vermitteln ein genaues Bild davon, was es bedeutet, einer Minderheit anzugehören, die von der überwiegenden Mehrheit abgelehnt wird und deren Existenz aktuell mehr denn je dazu dient, der Bevölkerung vermeintlich Schuldige für die Verbreitung des Corona-Virus zu präsentieren.

Gleichheit vor dem Virus existiert nicht. Die sozialen und ökonomischen Unterschiede markieren dies ebenso wie tief verwurzelte menschenverachtende Vorurteilsstrukturen. Selbst unter marginalisierten Menschen bleibt die Option der Diskriminierung und trifft vorrangig Juden, Roma und Muslime. Die den Roma und Sinti seit Jahrhunderten zugewiesene „Schuldenbock“ Rolle funktioniert in einer dafür empfänglichen Gesellschaft aktuell perfekter denn je. Dies zu verschweigen und der allgemeinen Betroffenheit und Solidarität unkritisch das Wort zu reden, ist eine der ersten Voraussetzungen dafür, dass letztlich Diffamierung und Unrecht dominieren. Um dieses Stigma zu durchbrechen, bedarf es Engagement und Sensibilität, die differenziert, die Ungleichheit benennt. Insbesondere dann, wenn die Covid-19-Meinungsmache erneut auf rassistische Argumentationsmuster gegenüber Roma und Sinti und auf Antisemitismus abhebt.

Ffm., den 7.4.2020