Förderverein Roma e.V., Frankfurt am Main (Stand 2013)


In der Bundesrepublik leben etwa 70.000 deutsche Roma und Sinti und weit über 100.000 Roma-Migranten und –Flüchtlinge. Neben aufenthaltsrechtlichen Problemen ist die existentielle Versorgung bei etlichen Familien nicht gesichert. Die Unterkünfte sind oft völlig desolat, am Stadtrand gelegen und nicht familiengerecht, was zu erheblichen Konflikten intern und mit der Nachbarschaft führt. Diskriminierung und rassistische Haltungen von Einzelpersonen oder öffentlichen Institutionen sind nach wie vor im Umgang mit den Roma an der Tagesordnung. Polizeiliche Übergriffe, Benachteiligung in Schule, Beruf, Ausbildung und bei der Wohnungs-suche dokumentieren eine Struktur der Ausgrenzung. Das traditionell klischeehafte Bild über den „Zigeuner“ dominiert die Medien. Unzulässige Generalisierungen, die vorsätzliche Unter-lassung von Differenzierung und der Appell an tief sitzende Ressentiments bestimmen die über-wiegende Berichterstattung. Dies erschwert den gleichberechtigten Umgang der Minderheit mit der Mehrheit erheblich, insbesondere vor dem Hintergrund der generativen Erfahrung der deutschen Roma und Sinti von Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus.

Besonderer Handlungsbedarf in Bezug auf die Situation der Roma, die die größte ethnische Minderheit (zehn bis zwölf Millionen Menschen) in Europa bilden, wurde von der EU-Kommission bereits im Aktionsprogramm 2001 bis 2006 zur Bekämpfung von Diskriminierung sowie in der Festlegung der Leitlinien des Equal-Programms 2003 festgestellt. Schulische und berufliche Bildung, die Entwicklung von Beschäftigungsstrategien, Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung der Selbstorganisation, Initiativen gegen Rassismus und Ausgrenzung stehen auch in der Roma-Dekade der Weltbank im Mittelpunkt. In einer Konferenz des Berliner Instituts für vergleichende Sozialforschung Ende 2006 über Berufs- und Bildungsförderung ist die Rede von einer gegenüber der Mehrheitsbevölkerung bis zu 15fach höheren Arbeitslosigkeit bei Roma und Sinti in Europa. 30 bis 40 % der Betroffenen leben in sog. sozialen Brennpunkten. Marginalisierung, Stigmatisierung und unzureichende Bildungschancen ergänzen ein Bild, in dem die Ablehnung der Minderheit durch die überwiegende Bevölkerung (68 % der Befragten einer repräsentativen Untersuchung möchten Roma und Sinti nicht als Nachbarn haben) tägliche Realität ist. Eine Studie von Unicef (Frühjahr 2007) über die Situation von Roma-Kindern und Jugendlichen in Europa sowie die Forderung nach dem „Recht auf Leben ohne Diskriminierung“ anlässlich der Europäischen Konferenz der Roma in Brüssel am 16.9.08 bestätigte die Ausführungen auf alarmierende Weise.

Ein Forschungsbericht (2011) von Romno Kherr, Mannheim, zur aktuellen Bildungssituation deutscher Sinti und Roma dokumentiert, dass nur 18,8 % der Befragten eine Berufsausbildung haben (Mehrheitsbevölkerung 83,4 %), 13 % keine Schule (Mehrheitsbevölkerung unter 1 %), 10,7 % die Förderschule (Mehrheits-bevölkerung 4,9 %) besucht und 44 % keinen Schulabschluss (Mehrheitsbevölkerung 7,5 %) haben.

81 % gaben an, über Diskriminierungserfahrungen zu verfügen, 25 % bestätigten, regelmäßig, häufig oder sehr häufig diskriminiert zu werden. Eine Langzeituntersuchung über „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ aus 2011 ergab, dass 40 % der Befragten „Roma und Sinti nicht in ihrer Gegend haben wollen“ und 27 % erklärten sich damit einverstanden, „Roma und Sinti aus Innenstädten zu verbannen“.

Auch die Empfehlung der EU-Kommission vom April 2011 an die Mitgliedsländer betont nachdrücklich die Bedeutung der Bildung, indem sie auf notwendige Bemühungen und Investitionen hinweist, die den späteren Weg in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Die Kommission beschloss eine verbindliche Rahmenstrategie für alle EU-Staaten, in der Ziele in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsfürsorge und Wohnraum bezüglich der Integration von Roma festgelegt wurden und deren Umsetzung bis 2020 auf nationaler Ebene erfolgen soll: „Die Roma sind eine der größten ethnischen Minderheiten in der EU. Schätzungsweise 10 bis 12 Millionen Roma leben in den verschiedenen Mitgliedstaaten, häufig unter schwierigen Bedingungen.
Die Europäische Union möchte ihre umfassende gesellschaftliche Eingliederung fördern – sowie ihre Beteiligung an Wirtschaft, Arbeitsmarkt, kulturellem Leben und Entscheidungsprozessen. Die Eingliederung der Roma stellt für die EU eine politische und moralische Verpflichtung dar und ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorrangig (http://ec.europa.eu/esf).

Der Förderverein Roma e. V.

Der Förderverein Roma e. V. existiert seit knapp 20 Jahren. Er wurde 1993 mit dem Namen „Verein zur Schaffung eines Roma-Gemeindezentrum e. V in das Vereinsregister des Amtsgerichts Frankfurt eingetragen. Die Namensänderung erfolgte 1999. Der Verein ist als gemeinnützig im Sinne der Förderung der Jugendpflege, Erziehung und Bildung sowie der Völkerverständigung anerkannt, er ist Träger der freien Jugendhilfe gemäß § 75 KJHG und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverein. Zurzeit beschäftigt der Förderverein Roma 40 Personen. Etwas weniger als die Hälfte der MitarbeiterInnen sind Roma. Ansprechpartner waren und sind neben deutschen Roma vor allem Roma-Flüchtlinge aus Osteuropa, insbesondere aus Rumänien.
Der Förderverein Roma entstand auf Initiative des Arbeitskreis Roma, der sich 1989 bildete. Die unterschiedlichen Mitglieder dieses Arbeitskreises (PädagogInnen, SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, AktivistInnen aus der Menschen- und Bürgerrechts-arbeit) waren sich darin einig, dass ein organisiertes Engagement gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung effektiver ist, als einzelnes Handeln.

Die Initiative bündelte ihre Kräfte in der Sozial- und Flüchtlingsberatung (Aufenthalt, Existenzsicherung, Bildung) und in der Öffentlichkeitsarbeit (verschiedene Artikel, Film-beiträge, Herausgabe eines Buches, Informationsveranstaltungen, Anbringung einer Mahntafel zum NS-Terror am Stadtgesundheitsamt, dreitägige Besetzung des Sozialamtes, Demonstrationen, Kundgebungen, Teilnahme an internationalen Kongressen in Japan, Polen, Spanien und Frankreich, Schottland, Austausch mit ähnlichen Initiativen in Österreich und Griechenland, Mitwirkung an EU-Projekten im Sektor Gesundheit, Bildung und Erwerbstätigkeit). Parallel zu diesen Aktivitäten hielt der Verein ein Angebot im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe und Straßensozialarbeit vor, das schließlich in das Projekt „Schaworalle“ (Hallo Kinder) mündete.

Bis 1999 arbeitete der Förderverein Roma mit der Roma-Union Frankfurt, der Selbst-hilfeorganisation der Roma, deren Neugründung der Förderverein maßgeblich betrieb, in einer Bürogemeinschaft zusammen. Durch Einrichtung der Kindertagesstätte „Schaworalle“ in der Siolistraße und später in der Stoltzestraße bezog der Verein eigene Räumlichkeiten im Zentrum von Frankfurt am Main. Seit 2013 befinden sich alle Bereiche des Vereins, mit Ausnahme der Kindertagesstätte Schaworalle und der im Februar 2013 eröffneten Krabbelstube in der Kaiserstraße 64, 2. und 3. Etage, 60329 Ffm.

Aus der Satzung:

"Der Verein ist unabhängig von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Gebietskörperschaften aller Art. Er arbeitet aus sozialer Verantwortung ohne parteipolitische, konfessionelle oder sonstige Bindung.
Der Verein setzt sich für den Bau eines Roma Gemeindezentrums in Frankfurt am Main sowie für die Errichtung und durch den "Förderverein Roma" betriebene Kindertagesstätte für Roma ein. Darüber hinaus besteht der Zweck des Vereins in
a) der Beratung in rechtlichen und sozialen Angelegenheiten unter Beachtung des Rechtsberatungsgesetzes,
b) der Organisation von Angeboten in den Bereichen Kultur, Information und Politik,
c) in der Bereitstellung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie schulischer Unterstützung,
d) in der Bereitstellung von fachlich qualifizierten pädagogischen Angeboten für Kinder und Jugendliche, wie zum Beispiel durch die Errichtung und den Betrieb einer Kindertagesstätte für Roma,
e) in der Förderung der Begegnung zwischen Roma und Nicht-Roma."

Arbeitsbereiche des Trägers

- Die Sozialberatung bildet die Grundlage aller Aktivitäten des Förderverein Roma e. V. Das Spektrum der Tätigkeiten beinhaltet die Hilfe bei Problemen bezüglich Aufenthalt, Lebensunterhalt, Unterkunft, Gesundheit, Straffälligkeit, Ausbildung, Schule und Berufstätigkeit sowie die Betreuung und Begleitung von Überlebenden der Verfolgung im Nationalsozialismus.

- Kindertagesstätte „Schaworalle“ (Stoltzestraße 14-16) mit integriertem Schul-programm für Grund- und Hauptschüler. Ein erfolgreiches, bundesweit anerkanntes Modellprojekt. Gegenwärtig werden etwa 70 Kinder im Alter von 3 bis 15 Jahren betreut. In erster Linie sind dies Roma aus Rumänien. Im April 2006 erhielt Schaworalle für sein beispielhaftes Engagement die Theodor-Heuss-Medaille.

- Das Berufsbildungsprojekt für Roma-Jugendliche ist mit ihrem speziellen Profil, das berufliche Bildung und Orientierung sowie schulische Qualifikation für Roma zwischen 16 und 27 Jahren anbietet, einmalig. Das Projekt wurde 2003 als Equal-Initiative im Städteverbund Aachen, Berlin, Ffm. gestartet. Seit September 2005 wird das Projekt vom Jugendamt Frankfurt am Main, seit 2007 zusätzlich mit ESF-Mitteln durch das hessische Sozialministerium, mit Geldern des Jobcenters Frankfurt am Main und mit Unterstützung der Stiftung ProRegion der Fraport AG finanziert. Die TeilnehmerInnen absolvieren unterschiedliche Praktika, besuchen einen Wirtschafts- und Computerkurs und qualifizieren sich schulisch weiter. Zwischen 30 und 50 % der TN erwerben den Hauptschulabschluss.

- Die ambulante sozialpädagogische Lern- und Familienhilfe sowie Erziehunsgbeistandschaft unterstützt Roma-Familien in den verschiedenen Stadtteilen von Frankfurt am Main. Zielsetzung ist die konkrete Hilfe für Kinder innerhalb der Familie im schulischen und außerschulischen Bereich.

- Das Erwachsenenbildungsprojekt für Roma ist seit April 2010 tätig und wird ausschließlich vom Jobcenter Frankfurt finanziert. Es bietet 15 TeilnehmerInnen Platz. Schwerpunkte des Angebots sind Alphabetisierung, Grundbildung berufliche Orientierung und Weitervermittlung in Qualifikation, Ausbildung oder Erwerbstätigkeit.

- Das Kleinprojekt Vermittlung, Begleitung und Übersetzung beschäftigt gegenwärtig drei Honorarkräfte, die punktuell auf private oder öffentliche Anfragen (Schule, Jugendamt, Krankenhäuser, Wohngesellschaften, Polizei etc.) tätig werden und die Sozialberatung unterstützen.

- Philharmonischer Verein der Sinti und Roma e. V. Frankfurt am Main.
Der Förderverein Roma e. V. war Gründungsmitglied des 2001 geschaffenen Philharmonischen Vereins der Sinti und Roma. Der Förderverein stellt Räume, Equipment und sowohl praktische wie finanzielle Unterstützung bereit, damit der Philharmonische Verein seine Arbeit, nämlich der Pflege des musikalischen Erbes der Sinti und Roma, nachkommen kann. Jährlich werden mehrere große Konzerte ausgerichtet.

- Der Förderverein Roma hat im Februar 2013 eine Krabbelstube mit zehn Plätzen für Kinder von 0-3 Jahren eröffnet. Die Einrichtung findet in der ehemaligen Geschäfts- und Beratungsstelle des Trägers, in der Stoltzestraße 17, Räume.

- Die Sozialberatung, die Geschäftsstelle, die Jugendhilfe, das Kleinprojekt, das Archiv, die Verwaltung, die Jugendberufsbildung, die Erwachsenenbildung und der Philharmonische Verein der Roma und Sinti sind in der Kaiserstraße 64, 2. und 3. Etage, 60329 Ffm, untergebracht.

Finanzierung

- Kita: gesetzlich über Stadtschulamt und Landesjugendamt, mit Übernahme Elternentgelte und Essengelder seitens des Jugendamtes Ffm., 70 Plätze
- Jugendhilfe: über Fachleistungsstunden, zur Zeit 13 Familien mit etwa 30 Kindern und Jugendlichen
- Sozialberatung: Zuschuss des Jugendamtes und des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten, täglich ca. 30 Beratungen (jährlich neu zu beantragen)
- Kleinprojekt Begleitung, Übersetzung, Vermittlung: Zuschuss Amt f. mult. Angelegenheiten (jährlich zu beantragen)
- Jugendberufsbildungsprojekt für Roma-Jugendliche: ESF-Mittel über das hessische Sozialministerium, Mittel des Rhein-Main-Jobcenter, Mittel des Jugendamtes und Stiftungsmittel, 15 Plätze (jährlich neu zu beantragen)
- Erwachsenenbildungsprojekt: Pilotprojekt 12 Plätze, Rhein-Main-Jobcenter, nur ein Jahr
- Krabbelstube: Finanzierung über das Stadtschulamt

Projekte in Planung und laufende Projekte

- Ausbau Sozialberatung, derzeit ist eine 50% Reduzierung erforderlich, da es keine ausreichende Finanzierung gibt
Die Bereiche Sozialberatung, Geschäftsstelle, Verwaltung, Archiv, Jugendberufsbildung und Erwachsenenbildung sind in der Kaiserstraße 64, 2. und 3. Etage, Haus A, 60329 Ffm., untergebracht. So steht nach fünfjähriger Suche endlich genügend Raum zur Verfügung

- Ausbau der Krabbelstube in der Stoltezstraße 17

- In Kooperation mit dem LV Hessen der Sinti und Roma wurde ein Info-Koffer zur Verfolgung und Vernichtung von Roma und Sinti in der NS-Zeit für Frankfurter Schulen (Sek II Bereich) und Bildungsinstitutionen im Frühjahr 2012 präsentiert
Erhaltung und Gestaltung der Gräber von KZ-Überlebenden aus Roma- und Sinti-Familien als Gedenkorte auf dem Hauptfriedhof

- Fortführung des Gesprächskreises für minderjährige Mütter zusammen mit dem Gesundheitsamt und dem Jugendamt
Aufbau einer zentralen Gedenk- und Dokumentationsstätte für Roma und Sinti in Ffm.

- Aktivitäten im Rahmen Fortbildungen, Information und Gedenken

wichtige Kooperationspartner:

- Roma- und Sinti-Organisationen insbesondere der Rom e. V. Köln, der Landesverband der hessischen Sinit und Roma und der Zentralrat der deutschen Sinti und Roma, Stadtschulamt, Staatliches Schulamt, Jugend- und Sozialamt, Landesjugendamt, Jobcenter, Sozialministerium, Amt für multikulturelle Angelegenheiten, Stiftung ProRegion, Sozialministerium Hessen

wichtige Elemente der Arbeitsweise und des Selbstverständnis des Förderverein Roma:

- der Förderverein Roma ist keine Selbsthilfeorganisation. Er kooperiert mit den örtlichen Roma-Vereinen, ähnlich organisierten Einrichtungen wie z. B. dem Rom e. V. in Köln sowie dem Landesverband und dem Zentralrat der deutschen Sinti und Roma
- der Träger ist bemüht, im Rahmen seiner Arbeit Qualifizierungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere für Roma und Sinti zu schaffen
- als rote Linie zieht sich die Sozialberatung, das heißt die existenzielle Hilfe, durch alle Tätigkeiten und bedingt so das Vertrauen der Familien gegenüber dem Verein
- die Bürgerrechts- und Informationsarbeit ist zentraler Bestandteil der Aktivitäten
- alle umfangreichen pädagogischen Initiativen (Kita, Jugend- und Erwachsenenbildungsprojekt) sind verbunden mit einer intensiven Eltern- und Familienarbeit sowie der sehr engen Begleitung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen
- die pädagogische Arbeit und die zugrunde liegenden Konzepte sind transparent und werden regelmäßig überprüft und modifiziert
- die Tätigkeit zeichnet sich durch individuelle Förderung, Kleingruppenarbeit, Binnendifferenzierung und die Orientierung an der Persönlichkeit, der sozialen Existenz und der Erfahrung der Menschen aus
- soweit möglich, werden anerkannte Abschlüsse und Qualifizierungen angeboten oder in solche Angebote vermittelt
- der Verein ist in allen relevanten Arbeitsgruppen in Ffm. vertreten (Vernetzung: AG § 78, AK-Kinderschutz, Fachausschuss Migration, Rechtshilfekomitee etc.)



Juli 2013